Mittwoch, 20. Januar 2010

Ausstellungstipp: Politische Bilder. Sowjetische Fotografien. Die Sammlung Daniela Mrázkowá

Das Museum Ludwig zeigt die kürzlich angekaufte Sammlung der in Prag lebenden Kuratorin und Publizistin Daniela Mrázkowá und dokumentiert damit ein vielschichtiges Bild der jungen Sowjetunion bis 1941.

Einerseits handelt es sich um zeitgeschichtliche Dokumente, die eine Vielfältigkeit und Weitläufigkeit eines Riesenreiches zeigen, andererseits wird politische Propaganda ausgestellt, die weit über die Grenzen der Sowjetunion hinaus wahrgenommen wurde. Zugleich werden künstlerische Tendenzen und Techniken in der Fotografie vermittelt, deren Bedeutung dem Publikum nicht unbedingt bewusst ist.

Aber im Einzelnen: Die Sowjetunion hatte nach der Revolution eine vergleichsweise hohe Analphabetenquote von ca. 68% (1920). Parallel zur rasanten Entwicklung in der Fotografie, die es zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts erlaubte, unter relativ einfachen Bedingungen zu fotografieren und zu entwickeln, entstand erstmals eine Situation, die es ermöglichte, politische Propaganda vor allem über die Fotografie zu betreiben. Zunächst in Schaukästen und relativ bald über Zeitschriften und Illustrierte konnte jedermann in der Sowjetunion erreicht und beeinflusst werden.

Die Leistungen der arbeitenden Bevölkerung konnten im ganzen Land vermarktet werden. Ambitionierte Großprojekte, wie der Bau von Staudämmen und Eisenbahnlinien wurden ebenso ins allgemeine Interesse gerückt wie die Schicksale einzelner Personen und Familien. Eine Reportage über die Arbeiterfamilie Filipow wurde gar in der deutschen Arbeiter-Illustrierten-Zeitung veröffentlicht und zeigte wie gut die "durchschnittliche moskauer Arbeiterfamilie" lebte. Mit moderner Wohnung, Datscha und Freitzeitclub wurde die Überlegenheit des Systems demonstriert.

Andererseits finden sich in der Sammlung Daniela Mrázkowáauch Fotografien, die von essenziellen Meinungsverschiedenheiten über den Einsatz der Fotografie zeugen. Bilder beispielsweise Rodschenkos, die nicht dem "Sozialistischen Realismus", sondern eher künstlerischen Mitteln huldigten, wurden nicht verstanden und teilweise stark kritisiert.

Einen Strommast beispielsweise in der Untersicht zu fotografieren ist heutzutage nichts ungewöhnliches und ein künstlerisches Mittel, dass einem bestimmten Zweck dienen kann. In den zwanziger Jahren wurden jedoch Überblendungen und perspektivische Kunstgriffe mindestens nicht verstanden oder gar angefeindet. Der Betrachter erkannte gar nicht um welches Motiv es sich handelte oder befand, es müsse sich um einen Fehler des Fotografen handeln.

Die Dimension der Pionierleistung, die von diesen frühe Fotografen geleistet wurde, welche mit den Sehgewohnheiten der Menschen brachen und somit ihren Horizont erweiterten, ist kaum zu ermessen. Fazit: Eine Ausstellung, die nicht nur die Fragen nach dem "Was", "Wie" und "Wann" stellt sondern vor allem das "Warum" angeht, ohne viel Aufhebens zu machen. Empfehlenswert.

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Links Service

Museum Ludwig Köln
23.10.09 - 31.01.10

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag (inkl. Feiertage): 10 – 18 Uhr und jeden ersten Donnerstag im Monat von 10 – 22 Uhr, montags geschlossen

Dr. Bodo von Dewitz (Kurator)

Webseite des Museum Ludwig zur Ausstellung

Webseite des Museo Nacional Reina Sofia zu einer Konferenz im Rahmen der Ausstellung über Arbeiterfotografie der 20er und 30er Jahre

Informationen zur Ausstellung im MNCARS auf kunstlich.com

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