Donnerstag, 8. April 2010

Maria Lassnig in München: Das Märchen vom Landmädchen, das auszog um die (Kunst)- Welt zu verändern

Ausschnitt aus: Maria Lassnig, "Du oder ich" (2005), Öl auf Leinwand, Foto: Gerd Mörsch während der Wiener Ausstellung im MUMOK (2009) © Maria Lassnig VG-Bildkunst

Die ausdruckstarken Bilder der Grande Dame der österreichischen Malerei - Maria Lassnig - sind nach Wien (MUMOK) und Köln (Museum Ludwig, beide Ausstellungen 2009) nun auch in München zu sehen.

Maria Lassnig (*1919 in Kappel am Krappfeld, Kärnten) gehört zurecht zu den bedeutendsten und - wie es leider nach wie vor für viele Frauen trotz aller Beteuerungen und Bekenntnisse üblich ist - unbekanntesten Künstlern der Gegenwart.

Nach Wien und Köln richtet - anlässlich des 90. Geburtstags der Künstlerin - das Münchner Lenbachhaus Lassnig eine kleine aber feine Einzelpräsentation im wunderbar schlichten, 'Kunstbau' genannten, unterirdischen Galerieraum des Lenbachhauses aus. 

Ein besonderer Ort

Wer den Blick hier von den Bildern abschweifen lässt, kann durch große Fenster auf die Zugänge und Rolltreppen der U-Bahn schauen und das Treiben der Stadt verfolgen - eine spannende Verbindung, die Lob für den ansonsten auf Schnörkel verzichtenden Architekten fordert. In dem abgesehen von der erwähnten Durchsicht in den Untergrund schlichten längsrechteckigen Ausstellungsraum führt eine lange, an Tadao Andos Minimalismus erinnernde Treppe hinunter. Sie wird von den Kuratoren für die Hängung geschickt genutzt.

Einzig der mittig und platzsparend erhöht eingefügte 'Medienraum' bricht etwas mit der schlichten Eleganz. Doch da die darunter befindliche Fläche für - leider in Museen zunehmend vom Aussterben bedrohte - Sitzgelegenheiten, Videoarbeiten und ausstellungsbegleitende Medien genutzt wird, wirkt der Kompromiss gelungen. 

Frischwaren und Mehlmadonnen

Die Ausstellung fokussiert sich auf Arbeiten der letzten Jahre und rühmt sich '2009 entstandene Bilder erstmals' zu präsentieren. Doch wer zuletzt ihre Werke in Köln oder Wien sah, fragt sich zurecht, welche Arbeiten hier wirklich neu bzw. erstmals ausgestellt sind. Begleitend zum malerischen Spätwerk sind im - leider unangenehm kühlen - Medienraum des Kunstbaus einige von Lassnigs Animationsfilmen zu sehen. 

Vom Landmädel zum Kunstpunk

Wer die Videos von Lassnig zum ersten Mal sieht, dürfte zurecht überwältigt sein von ihren bissigen wie künstlerisch anspruchsvollen Analysen der (Kunst-)Gesellschaft. Wunderbar ist vor allem ihre an die Ästhetik von MTV-Videos der 1980er erinnernde Autobiografie. Sie schildert den Weg des Landmädels - als solches portraitierte sich die Künstlerin 2001 nackt auf einem Mofa - über Wien nach New York und zurück humorvoll und anrührend zugleich.

Wen die farbintensiven und doch subtilen Werke Lassnigs überzeugen, dem sei gesagt, dass sie eine der wenigen Künstler des 20. Jahrhunderts ist, die ihr Leben lang nicht auf fotografische Vorlagen zurückgreift. Sie setzt stets auf das klassische Gegenüber von Maler und Modell, zuletzt etwa eine Nachbarin. 

Humorvoller, philosophisch geprägter Feminismus

Es scheint als sei es Lassnig gelungen, dieses intime Gegenüber - das von Maler und Modell - in ihre Bilder zu bannen. Überhaupt ist das Gegenüber von Mann und Frau, das Körperliche und der Kampf der Geschlechter ein zentrales Thema in ihrem Werk. Doch trotz aller Kritik an der Dominanz und dem Determinismus des Körperlichen scheint zuletzt auch ein wenig Hoffnung durch, wie etwa die Bilder "Zärtlichkeit" (2004) und "Paar"(2005, beide Öl auf Leinwand) deutlich zeigen. Neben der häufig baconhaften Körper- und Fleischdarstellungen findet man Vertrautheit und Zärtlichkeit.

Die 1980 als erste Professorin für Malerei im deutschsprachigen Raum berufene Künstlerin blickt auf dem bereits erwähnten Selbstportrait als Landmädchen (2001) trotzig in die Höhe. Und weil sie nackt und breitbeinig auf dem Mofa thront, fürchtet so mancher von der zweifellos selbstbewussten, reifen Dame überfahren zu werden.  

Motorisierte Nudisten

Doch hat man einmal ihren Lebensweg rekapituliert, wird schnell klar, dass es sich hierbei um eine selbstbewusste wie -iroische Inszenierung zugleich - jedenfalls keine Bedrohung - handelt. Es scheint als habe sie sich bewusst entgegen aller möglichen Bedenken entschlossen, einen Jugentraum zu realisieren: Endlich nackt mit dem Mofa durch's Dorf zu düsen und alle empörten Voyeure freundlich zu grüßen oder auch schlicht zu ignorieren. Und das hat sich Maria Lassnig nicht nur wirklich verdient, nein, das ist sie ihrer biederen Heimat geradezu schuldig!

Das Kulturjournal des Bayrischen Rundfunks (BR2) sendete anlässlich der Ausstellungseröffnung ein Porträt Maria Lassnigs von Astrid Mayerle (28. Februar 2010, 18.05 Uhr, Bayern 2). Siehe dazu auch br-online, wo z.Z. auch noch eine Bildergalerie zur Ausstellung zu sehen ist. 

Fazit: Das muss man sehen! 

Service: 
"Maria Lassnig. Die Kunst, die macht mich immer jünger"
noch bis zum 30. Mai 2010
Dienstag bis Sonntag, 10.00 - 18.00 Uhr
Städtische Galerie im Lenbachhaus
Nymphenburger Straße 84
80636 München

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