Montag, 8. April 2013

Werner Büttner - Gemeine Wahrheiten

Diese schwebende Currywurst könnte durchaus als ein Klassiker von Werner Büttner angesehen werden, auch wenn das Der romantische Imperativ genannte Bild von 2007 ist.
Courtesy Galerie Grässlin, Foto: Egbert Haneke, © Werner Büttner

Das ZKM in Karlsruhe widmet dem Hamburger Künstler und HFBK-Professor Werner Büttner eine wunderbar umfangreiche, laut ZKM die bisher größte Schau überhaupt. Wer das Werk des zum Glück verhinderten Juristen kennt, wird sich trotz des Titels nicht fürchten, denn Büttner glänzt u.a. mit einem wunderbaren Humor.

Auch daher wird dem Besucher der Karlsruher Retrospektive, die Arbeiten aus mehr als 30 Jahren zeigt, nicht langweilig. Um Haaresbreite wäre Büttner Jurist geworden, schreibt C. Gampert in seiner ausführlichen Rezension der Ausstellung (siehe unten). Doch so ganz passt das nicht zu Büttner, dem es auch an Selbstbewusstsein nicht mangelt. Es scheint eher ein Teil, eine durchaus auf Fakten beruhende Anekdote aus seiner eigenene Mythologie zu sein, die er gern erzählt...

Wilder Westen - Bafög kassieren und Totalverweigern

In Berlin lernte Büttner schnell die später sogenannten Jungen Wilden kennen und wurde Teil der Bewegung. Doch 1977 floh er gemeinsam mit Albert Oehlen vor dem Berliner Lotterleben nach Hamburg, was er später wie folgt kommentiert: 'Unsereiner studiert drei Semester und weitere fünf Semester kassiert er Bafög - und dann hat er was für's Leben gelernt...'

Auch der immer wieder auf kunstlich.com beworbene Katalog rattus norvegicus widmete sich Büttners Werken.

Die Kunst des Scheiterns

Sicher nicht nur mit einem Augenzwinkern auf das Jurastudium bezogen resümiert der Autodidakt Büttner: 'Jedes Leben ist auch ein verpfuschtes Leben,' was wunderbar zu Martin K. und dem inzwischen reichlich verklärten Berlin der späten 1970er und frühen 1980er passt. Auch Herr Lehmann lässt hier - 'schön' wie man heute irrsinnigerweise sagt - grüßen...

'Polke ist dumm und lügt!'

Auch dieses Zitat stammt von Büttner, es findet sich in einem frühen Ausstellungskatalog (H. Nordhausen 1978). Seine schlagkräftige Provokation und Ironie basieren vor allem auf seiner genuinen Verwendung von Sprache: Die Zündkraft von Bild und Wort ist ein zentraler Bestandteil, ein markantes Kennzeichen der Werke Büttners. Besonderes an seinen Collagen wird deutlich, warum die Jungen Wilden des Nachkriegsdeutschlands - wie die Fluxusbewegung - häufig als Neodadaisten begriffen und -zeichnet wurden.

Von amtlich protokollierten Unfähigkeiten...

Zynimus und Ironie bilden - wie die folgende Polke-Feuerschlucker-Anekdote zeigt - den Kern eines subversiven Skeptizismus. Mit ihm gelingt es Büttner, der gefährlichen, weil bleiernen Schwere des politisch motivierten Realsimus - der ihn mit Oehlen und Kippenberger verbindet - herrlich lustvolle Momente abzugewinnen. Doch wie gekonnt Büttner mit dem Kischee von Kunst als elitärer und mystischer Veranstaltung spielt und ironisch die Unmöglichkeit von Metaphysik und Utopie kommentiert, erinnert letztlich dann doch auch wieder an Polkes Höhere Wesen...

Ein gelungener Einsteig in den lobenswert umfangreichen Katalog.

Es war einmal im späten 20. Jh.: Ein produktiver Skandal

Die bereits erwähnte Ausstellung (bei Hilka Nordhausen 1978) und der von einem - heute niemanden auch nur irritierenden - Bild ausgehende Skandal sowie Büttners listige Reaktion sprechen Bände. Der Künstler beschreibt seine Antwort auf die drohende Zensur wie folgt: 'Ich habe einen Brief an die Staatsanwaltschaft geschrieben, in dem ich mich entschuldigt habe, dass dieses Missverständnis nur unserer Unfähigkeit als Maler zu verdanken ist. Ich schrieb, dass wir eigentlich einen Feuerschlucker malen wollten und dass da jetzt ein Punzenschlecker draus geworden ist, dass tut uns verdammt leid. Daraufhin ist das Verfahren eingestellt worden...'. (Büttner in Monopol 5/2008)

Sigmar Polke dagegen - damals Professor an der HFBK - hatte Büttner zum Übertünchen der Arbeit und einer deftigen Schadensersatzklage geraten, wie Büttners hier bereits zitierter Kommentar aus dem bereits erwähnten Katalog von 1978 ironisch überliefert. Bisher zumindest ist keine rechtskräftige Gegendarstellung Polkes bekannt...

Service:
Werner Büttner: Gemeine Wahrheiten
bis 22. September

ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie
Lorenzstraße 19
76135 Karlsruhe
Tel: ++49[0]721-8100-0
info@zkm.de


Öffnungszeiten:

Mi−Fr 10−18 Uhr
Sa−So 11−18 Uhr
 

Lobenswert: Freitags ab 14 Uhr ist der Eintritt frei.  

Links: 
- Der Katalog rattus norvegicus bei kunstlich.com
- Die Pressebilder des ZKM für Neugierige

- Die DLF-Rezension von Christian Gampert zum Hören oder Lesen

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