Dienstag, 26. Juli 2016

Leverkusen: Polke und Richter: Schöne Bescherung - noch bis zum 28. August

Ein Screenshot der Website des Museums zur Ausstellung Sigmar Polke - Gerhard Richter © Museum Morsbroich, Gerhard Richter, Foto: dieterklein.de

Das noch vor wenigen Wochen aufgrund unsäglicher Kürzungsdebatten (siehe dazu hier) bundesweit zumindest in den Feullieton-Schlagzeilen befindliche Leverkusener Museum Morsbroich zeigt in seiner Graphiketage eine kleine aber feine Ausstellung mit Werken von Sigmar Polke und Gerhard Richter.

Die beiden Künstler waren sich Anfang der 1960er so nahe, dass sie nicht mehr miteinander pokern konnten. Diese enge Verbindung spiegelt sich in dem inzwischen berühmten Bild vom gemeinsamen Bad (1966, siehe unten) oder Richters Siebdruck 'Hotel Diana' (1967), das Polke und Richter Bett an Bett im Billighotel zeigt. Die geistige Verwandtschaft von Polke und Richter führte zur Gründung der kunsthistorisch bedeutsamen Gruppe Kapitalistischer Realismus.

Perry Rhodan, Polke und Richter, Lueg und Kuttner


Zwischen 1963 und 1966 veranstalteten Gerhard Richter (damals noch Gerd Richter), Konrad Lueg (Künstlername des späteren Galeristen Konrad Fischer), Sigmar Polke und Manfred Kuttner gemeinsam unter dem Namen Kapitalistischer Realismus zahlreiche Ausstellungen und Performances. Stephan Strsembski hat sich in seiner Dissertation intensiv mit dem Kapitalistischer Realismus auseinandergesetzt. Siehe dazu unseren Buchtipp hier.

Eine rund 50 Jahre zurückliegende Gemeinschaftsausstellung in der Hannoveraner Galerie h von August Haseke ist Anlass für die Leverkusener Ausstellung. Polke selbst bezeichnete das für die Hannoveraner Ausstellung entstandene Künstlerbuch in einem Brief an den Galeristen als ‚der beste Katalog, der jemals – jedenfalls bis jetzt – gemacht worden ist.'

Perry Rhodan, Polke und Captain Richter schritten durch die Gasse, die von den epsalischen Kommandoleuten gebildet wurden… 


Wasser sparen oder intimer Plausch? Sigmar Polke (hinten) und Gerhard Richter (vorne) beim legendären gemeinsamen Bad 1966. Foto: Courtesy Gerhard Richter Archiv, © Gerhard Richter, 2016

Das Künstlerbuch ist eine Collage von Zitaten aus damals populären Heftromanen (vor allem Perry Rhodan), eigenen Texten und Fotografien. Und zu den darin publizierten Aufnahmen der beiden Künstlerfreunde gehört das berühmte Bild mit den beiden Jungs in der Badewanne. Und die Leverkusener Ausstellung präsentiert weitere Werke Sigmar Polkes, die diesen humorvollen wie subversiven Geist der 1960er Jahre atmen. 

Höhere Wesen, Pop, Kult und Politik 

Auch wenn Polke und Richter trotz ihrer gemeinsamen Wahlheimat Köln nach 1970 getrennte Wege gehen und sich - so das Leverkusener Begleitheft zur Ausstellung – nur einmal in Köln besuchten, gibt es - wen wundert’s - in ihrem Schaffen zahlreiche Parallelen. Etwa Polkes zufallsgesteuerte Klecksografien (1985) und Richters Edition November (2008). Beide lassen farbige Tinte durch das Papier dringen und entwickeln aus den auf den Rückseiten entstandenen Farbverläufen eigenständige Bilder.

Richter und Polke, die Ausstellung schafft einen passend zu den Arbeiten lockeren Dialog zwischen den beiden Künstlern, der durch zahlreiche Werke von Gerhard Richter aus der - zuletzt durch die Schließungsdebatte bundesweit bekannt gewordenen - museumseigenen Sammlung ergänzt wird. 


Kunst, Kommerz, Ironie und Subversion

Der subversive Humor, die herrliche Selbstironie, die beide in den wilden 1960er Jahren verband, zeigt sich besonders gut in einem Werk, das sie gemeinsam schufen. Es scheint, als wollten sie sich den Anfängen des Künstlerkults entziehen, so wie Polkes es mit seiner berühmten, schwarzen Ecke am oberen Bildrand tat. In der Umwandlung (1968) genannten Arbeit lösen sie mit vereinten Kräften in den 5 Phasen eines Offsetdrucks mit magischen Kräften ein Bergmassiv auf und verwandeln es in eine sphärische Kugel – zauberhaft…

Zuletzt noch ein Tipp für alle mit kleinem Geldbeutel, die Kunst kaufen wollen. Das Museum vertreibt limitierte Editionen zur Ausstellung:

 
- Gerhard Richter: EIS, farbiges Faksimile des von Gerhard Richter gestalteten, ursprünglichen Entwurfs für das 1981 herausgegebene Künstlerbuch EIS, € 98,-

- Sigmar Polke: Stenogramme, farbiges, spiralgebundenes Faksimile des von Sigmar Polke 1985 bearbeiteten Stenogrammblocks mit handschriftlich kommentierten Flecken-Experimenten, € 48,-

- Sigmar Polke: Diabolik, S/W broschiertes Faksimile einer von Sigmar Polke 1979 durch das Collagieren von Text- und Bildelementen bearbeiteten Ausgabe des italienischen Comics Diabolik, € 48,-

Alle drei Editionen sind limitierte Auflagen von 350 nummerierten Exemplaren, die Preise gelten im Museum bis Ende der Ausstellung.

Service
Museum Morsbroich
Gustav-Heinemann-Str. 80
51377 Leverkusen
Tel 0214 85556-0
museum-morsbroich@kulturstadtlev.de

lobenswert
ist das kleine, kostenlose Begleitheft zur Ausstellung


Links
- Sigmar Polke in der DDB (Deutsche Digitale Bibliothek), hier
- Gerhard Richter in der DDB (Deutsche Digitale Bibliothek) hier
- Buchtipp: Stephan Strsembski: Kapitalistischer Realismus. Objekt und Kritik in der Kunst der 60er Jahre, hier
- Sigmar Polke und sein filmisches Werk, das Feature von Beate Becker, hier
- Sigmar Polke und sein filmisches Werk, das Feature in Textform als PDF, hier
- die Website zur Polke-Retrospektive 2015, Köln Museum Ludwig, hier
- kunstlich-Beitrag anlässlich des Todes von Polke im Jahre 2011, hier
- ein Nachruf auf den ironischen Alchemisten Polke, hier

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